Interview mit Arnd Küchel, Küchel Architects :«Mein Anspruch ist, ein nicht alltägliches Wohnerlebnis zu schaffen»
Arnd Küchel realisiert mit aussergewöhnlichen Entwürfen Häuser, die hohen Ansprüchen genügen. Im Gespräch erläutert der Engadiner Architekt mit Büros in St. Moritz und Zürich seine Philosophie.
Herr Küchel, Sie sind bekannt für das Besondere in der Architektur. Ihre Wohnbauten, die Sie für Menschen mit Stil entwerfen, gelten als zeitlos vorbildlich. Wie gehen Sie an ein Projekt heran?
Arnd Küchel: Ich halte es für entscheidend, mit jedem Entwurf ein Unikum zu schaffen. Ein Projekt beginnt stets damit, sich in die Vorstellung der Kunden hineinzuversetzen und zu verstehen, was die späteren Bewohnerinnen und Bewohner sich wünschen. Sie sollen sich einbringen können. Zudem halte ich es für grundlegend, die Identität und Energien des Ortes aufzuspüren, dafür Besuche ich den Bauplatz allein zu verschiedenen Tageszeiten.
Was wünscht sich der Mensch zum Wohnen?
Lebensraum. Ein Haus, in dem man sich wohlfühlt. Es soll ästhetisch überzeugen, ein gutes und gesundes Raumgefühl vermitteln, funktionell gedacht und aus hochwertigen, natürlichen Materialien gebaut sein. Und energetisch, technisch auf dem neusten Stand sein. Ein ganz individueller Rückzugsort, gefertigt auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner!
Sie haben den Begriff «selbsterklärende Architektur» geprägt. Erklären Sie es uns!
Ein Gebäude sollte sich wie selbstverständlich in seine Umgebung einpassen und Bezüge zur Umwelt herstellen. Die Lage, die Natur geben es vor. Das Spiel von Licht und Schatten. Auch das Material muss dem entsprechen: Holz und Stein, baubiologisch unbedenkliche Stoffe. Mein Anspruch ist ein nicht alltägliches, aber klares Wohnerlebnis zu schaffen. Selbes gilt auch für die schlichten Formen und Wohnkonzepte meiner Entwürfe.
Ihre Arbeiten weisen eine eigene Handschrift aus. Ein Küchel-Haus erkennt man sofort. Wie machen Sie das?
Die Kubatur muss stimmen. Dafür braucht es ein gutes Mass, «den goldenen Schnitt»: Höhe zu Breite und Tiefe, die Sichtachsen, der Lichteinfall, das alles macht die Erscheinung aus. Neben der räumlichen Gestaltung bringen wir unsere Architektur über die Materialien zum Ausdruck, dafür experimentieren wir in sehr enger Zusammenarbeit mit Handwerkern und Zulieferern und entwickeln neue Technologien zur Bearbeitung von Stein, Holz und Metall oder forschen über die Anwendung von traditionellen Technologien z.B. «Yakisugi» aus Japan, aber mit heimischen Materialien. Diese Art von Kreativität definiert uns.
Im Engadin haben Sie vielen alten Wohnhäusern zu neuem Glanz verholfen. Worauf ist beim Bauen im Bestand zu achten?
Zunächst einmal schauen wir, nach der Substanz. Was soll, was darf bleiben? Was muss neu gedacht werden? Jedes Haus hat seinen eigenen Charakter. Diesen zu lesen, ist Aufgabe des Architekten. Er muss die Geschichte eines Hauses verstehen. Erst danach lässt sich Neues schaffen. Das Neue sollte jedoch nicht dominieren. Neues mit Altem zu verbinden, gleicht einem Spagat. Ich versuche, die alte Bausubstanz nicht zu negieren, sondern zu ertüchtigen.
Sie haben eine besondere Beziehung zu Holz. Weshalb?
Holz gehört in all seinen Formen zu meinen Lieblingsmaterialien. Es ist langlebig, man hat eine enorme Gestaltungsfreiheit. Und es genügt hohen ästhetischen Anforderungen. Nicht zu vergessen, dass Holz ein sehr nachhaltiges und energieeffizientes Baumaterial ist. Im Engadin bekommt man diese besondere Beziehung zum Holz in die Wiege gelegt. Eine unserer Referenzen übrigens ist die Chesa Futura in St. Moritz mit ihrer markanten Schindelfassade, ein ganz spezieller Bau, an dem wir mitwirken durften.
Ihr Büro arbeitet nicht nur mit grossen Namen wie Norman Foster, sondern auch mit anspruchsvollen Privatinvestoren und namhaften Bauträgern zusammen. Was bedeutet für Sie die Zusammenarbeit mit Partnern?
Unser Unternehmen mit derzeit 42 qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus diversen Fachgebieten kann einen Grossteil der Aufgaben selbst abdecken. Wenn wir aber mit bekannten Namen wie etwa mit Foster + Partners aus London zusammenarbeiten dürfen, bringt uns das weiter. Von anderen Spezialisten können wir lernen und so in puncto Design, Technik und Nachhaltigkeit immer auf dem neusten Stand sein.
Wie wichtig sind genaue Marktkenntnisse für Verkauf und Vermarktung?
Unbestritten, für den Erfolg eines Projekts sind sie bedeutsam. Eine gründliche Marktanalyse hilft, die Zielgruppe zu definieren und die potenziellen Nutzer zu verstehen. Aber auch, das Grundstück optimal auszunützen sowie die Baukosten und Preise abzuschätzen und genau aufzuschlüsseln.
Zu verstehen, was die Bewohner wollen, bedingt einen intensiven Austausch. Was braucht es dafür?
Zunächst ein offenes Ohr: Zuhören zu können ist zentral. Ich gehe in die Häuser und Wohnungen meiner Kunden, um zu verstehen, wie sie leben, was ihnen im Alltag wichtig ist. Wenn wir dann unsere Entwürfe präsentieren, machen wir das mit modernster 3D-Drucktechnik und Visualisierungen, die möglichst exakt das künftige Aussehen von Innenräumen und Materialien zeigen, aber auch von der Kubatur und dem Äusseren. Dies vermittelt den Auftraggebern ein sehr genaues Bild des künftigen Gebäudes. Auf diese Weise gibt es wenig Überraschungen und sehr selten nachträgliche Änderungen, die jedes Bauprojekt verzögern und teurer machen.
Lassen sich die Baukosten angesichts der gestiegenen Materialpreise noch einhalten?
Budgetdisziplin ist eine hohe Kunst. Weil wir einschliesslich der Bauleitung und sehr erfahrenen Spezialisten vieles selbst machen, können wir die Kosten im Griff halten. Die Materialpreise spielen dabei nur begrenzt eine Rolle. Soweit ich mich erinnere, sind wir in den letzten 30 Jahren, wenn überhaupt nur in wenigen Fällen über das vereinbarte Kostendach hinausgekommen.
Der Klimawandel erhöht die Anforderungen an die Arbeit des Architekten. Wie werden wir in 20 Jahren bauen?
Häuser werden für lange Zeiträume erstellt, nicht für die Ewigkeit, aber doch für 50, 100 oder manchmal noch weit mehr Jahre. Was wir heute entwerfen, wird also in mehreren Jahrzehnten auch noch stehen. Ich versuche schon heute ein Haus so zu denken, um es zeitlos und anpassungsfähig zu gestalten. Dass die Materialien hohen baubiologischen Standards entsprechen und recyclingfähig sind, dass das Gebäude den Witterungseinflüssen Stand hält und wegweisend in Bezug auf die Technik ist. Ich hoffe, meine Werke überdauern die Zeit.
Zur Person und zum Unternehmen
Arnd Küchel ist Architekt und leitet Küchel Architects mit Büros an zwei Standorten. Das Unternehmen realisiert im Engadin und in der ganzen Schweiz sowie in ausgewählten europäischen Ländern für private und öffentliche Auftraggeber Wohnbauten und Villen, Überbauungen und Geschäftshäuser, aber auch Museen und Zweckgebäude. Küchel Architects deckt vom Entwurf über die Generalplanung und Bauleitung bis zum Interior Design möglichst alle Aufgaben selbst ab. Arnd Küchel (64) hat das Lyceum Alpinum in Zuoz besucht. Nach dem Studium der Biologie begann er an der EPFL in Lausanne und an der ETH in Zürich seine Ausbildung zum Architekten. Sein eigenes Büro gründete er 1991 in St. Moritz. 2009 kam der zweite Standort in Zürich hinzu, von wo aus die Projekte in Europa koordiniert werden. Küchel lebt heute im Oberengadin. Als begeisterter Hobbysportler läuft er Marathons, fährt Mountainbike und macht Langlauf. Gerne geht er auf Reisen, um fremde Länder und deren Architektur zu erkunden, oder er lädt Freunde ein, für die er dann selbst kocht.